Dr. Jürgen Doppelstein - A Place of Transition

Selbstbewusst stellt sich das neu eröffnete Bikini Island Hotel – Port de Sóller, Mallorca auf seiner Internetseite als ein Haus vor, in dem eine im "Gypset Style" verpackte „Mischung aus Entspanntheit und Hedonismus“ den Besucher erwartet und ein Ort entstanden ist „um loszulassen und das Leben zu feiern“. Das klingt aufregend und herausfordernd und so habe ich mich im Anschluss an die farbenprächtige Eröffnungsparty vom 7.7.2018 zu einigen Überlegungen verleiten lassen, die besonders mit der Frage nach dem typischen des „Gypset-Style“ ihren Anfang nehmen.

Die Gypsetter von heute sind Menschen, die nach einem andersartigen, unkonventionellen Set an gesellschaftlichen Regeln und Praktiken leben und handeln wollen. Mit ihrem farbenfrohen und nomadischen Lebensstil versuchen sie jede Bewegung in ein vielfältiges Reiseerlebnis umzusetzen.

Bikini Hotel Außenansicht. Foto: Lars Kreye

Gypsetter glauben allein an die Moral von Wahrheit, Schönheit, Freiheit und Liebe. Sie sind die modernen und globalen Bohemiens, getrieben von der Sehnsucht, jeden einzelnen Tropfen ihres Lebens mit Lust und Freude voll auskosten und mit allen Sinnen erleben zu wollen.

Bewegung am Strand, Gypsetter 2018, Foto: casalovesayulita

Sie folgen ihrem Herzen über den Kopf und bewahren sich den Glauben, dass sie das Leben genau dahin bringen wird, wo sie auch wirklich sein wollen. Für den Gypsetter bilden Technologie und Erhalt der Natur keinen Widerspruch, sie sie leben mit dem Internet und können überall Geld verdienen.

Gypsetter sind kommunikativ, freuen sich immer neue Leute zu treffen und verlieben sich leicht. Sie sind aber auch weise genug, um zu wissen, dass alle Begegnungen und Bindungen zufällig und jede Liebe frei von Besitz sein muss, denn sie leben oftmals ganz ohne Besitz. Sie haben einen kleinen und klaren Bestand an Dingen, die sie brauchen. Sie alle passen in ein paar Taschen. Der Rest ist vielleicht schon sauber verpackt oder wurde vor langer Zeit verschenkt. So bewohnen sie voller Neugier für die Wunder der Welt nur solche magischen Orte, die immer neu ihren Namen rufen. Wenn diese Stimme verstummt, wird die Reise fortgesetzt.

Jetzt haben die Schöpfer des Bikini Island Hotel in Port de Sóller dieses nicht nur als neue Anlaufstelle für Urlauber geformt, sondern zugleich einen transitorischen Ort, einen Ort des Übergangs geschaffen, wo jeden Tag ein Abenteuer wartet, wo die Bewohner und Gäste ihrer Liebe für Mode, Musik, Kunst, Literatur, Tanz und Bewegung und überhaupt alles Schöne freien Lauf lassen können. Hier werden sie nicht nur Freunde, sondern Familie finden, denn hier begegnen sie Menschen, die so wie sie selbst nach Seelenverbindungen suchen.

Deshalb erscheint mir das Bikini Island Hotel – Port de Soller auch als „A Place of Transition“, als Ort des Übergangs, der wandlungsfähig wie ein Gypsetter sich ständig verändern und verbessern will, um in einer Zeit des rasenden Wandels mit seinen Bewohnern und Gästen zu wachsen und immer neue Verbindung herzustellen.

Wedding Dress, Pachamama Sayulita Boutique, Mexico

Es war Nathalie Mignot, die mit ihrem Design aus farbenfrohem, unkonventionellem Hippiedekor, Beachlive und modernem Zigeunerleben dem Gypset eine besondere äußere Form gegeben hat. Das Motto Ihres Hotels „Casa Love“ in Sayulita, Mexico ist. „LIFE IST BETTER IN A BIKINI“. Und so lebt sie auch mit ihrer Großfamilie und ihren Hotelgästen wie in einer Hippiekommune ein ausgelassenes, tropisches Strandleben. Nathalie Mignot hat aber auch neu über die indigenen Kulturen, über Natur, Fruchtbarkeit und das Leben auf der Erde nachgedacht hat. Sie sagt: Wenn wir beginnen, unsere Hände neu zu betrachten, dann werden wir sehen, dass sie voll von magischer Kraft sind und die Welt verändern können. Sie können Einfluss nehmen auf ein gutes, harmonisches Leben für viele Menschen und aktiv einstehen für Frieden, Wohlstand, Identität und Widerstand leisten gegen Unrecht und Krieg verbunden mit der Hoffnung auf eine umfassende Erneuerung.

Hippies im Golden Gate Park 1967. Photo: Robert Altman

Nun lässt sich nicht übersehen, dass sich Nathalie Mignot in ihrem Bekleidungsstil auf Vorbilder beruft, die ihren Ursprung in der Hippiebewegung der 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts haben. Sie waren es, die der industriell gefertigten Massen-Mode mit einer konsequenten Anti-Mode entgegentraten. Durch Eigenproduktion, durch Nähen, Färben, Sticken und Stricken setzte man sich von der Kleiderordnung der Konsumgesellschaft ab und entzog sich damit auch deren marktwirtschaftlichen Verwertungsinteressen.

Das Tragen dieser Kleidung demonstrierte somit nicht nur Individualität und Kreativität, sondern auch eine Absage an die bestehende Wirtschaftsordnung. Hippies wollten nie Teil des Mainstream sein, gegen dessen soziale Missstände sie vehement rebellierten. Ihre Mode war das Statement einer Generation, die gegen Krieg und jegliche Diskriminierung demonstrierte. Und so liegen die Wurzeln des Gypset-Style „im San Francisco der 60er mit seiner Hippie-Bewegung“, denn auch die Gypsetter von heute grenzen sich konsequent von Mainstream und Massengesellschaft ab. Sie wollen selbst bestimmen, nach welchen Regeln sie leben. Individualistisch, undogmatisch und frei suchen sie nach dem Luxus des wahren Lebens, das mit Geld nicht zu kaufen ist.

Peace, Brother, Peace

Hippies schmückten sich zum Zeichen für Frieden und Liebe mit Blumen, trugen bunte Kleider, auffallenden Schmuck und lange Haare. Das Peace-Zeichen war eines ihrer Symbole. Entstanden war es im Rahmen der britischen „Campaign for Nuclear Disarmament (CND)“ 1958, als ein lockeres Bündnis von Initiativen und Individuen, das in einem riesigen Protestmarsch unter Schildern mit dem Peace-Zeichen vom Londoner Trafalgar Square zum britischen Atomforschungszentrum Aldermaston zog. Aus dieser ersten Aktion entwickelte sich die weltweite Bewegung der „Ostermärsche“ für Frieden und Abrüstung und gegen die nukleare Bedrohung durch Kernwaffen und Atomkraftwerke. Später wurde dann der Protest gegen den Vietnam-Krieg unter dem Peace-Zeichen zugleich zur Chiffre des Protests gegen das Establishment und seiner menschenverachtenden, postkolonialistischen Politik.

Summer of Love, San Francisco 1967, Photo: Robert Altman

Das Peace-Logo avancierte dabei zum internationalen Erkennungszeichen der Gleichgesinnten und das universale „Make Love not War“ wurde zum Leitthema, das die Ideale der Hippies mit dem politischen Anspruch der radikalen Protestler vereinte: Es ging um Liebe und um Protest und der Begriff „Peace“ wurde zu einer allgemeinen Begrüßungsformel, die häufig noch zu einem lang gedehnt ausgesprochenen „Peace, brother, peace!“ erweitert wurde.

Summer of Love, San Francisco 1967, Photo: Robert Altman

Heute findet sich das Peace-Zeichen auf T-Shirts, Jacken, Umhängetaschen und sonstigen Merchandise-Produkten wieder (oder worauf auch sonst immer sich dieses eingängige Zeichen drucken, malen oder heften lässt). Das Bikini Island Hotel verwendet das Peace- Zeichen als Design-Element in nahezu allen Zimmern und auf der Grundfläche des Swimmingpools. Das Haus hat damit die identitätsstiftende Wirkung des Peace-Zeichen erkannt und sich eindeutig gesellschaftspolitisch positioniert. Das Peace-Zeichen wurde aus seiner sinnentleerten Verbannung zurückgeholt und zum Ornament erhoben.

Bikini Island Hotel Pool mit Flower-Power- Peace-Icon, 2018. Foto: Lars Kreye

Hair Peace, Bed Peace

Am 20. März 1969 gingen John Lennon und Yoko Ono vor der gesamten Weltöffentlichkeit ins Bett, um mit einem konzeptuellen Gesamtkunstwerk gegen den Krieg und für den Weltfrieden zu protestieren. Das berühmteste Liebespaar der Zeit bezog die Präsidentensuite im Hilton-Hotel Amsterdam und kam eine ganze Woche lang nicht mehr heraus. Es blieb im Bett und verkündete: „Make Love - Not War!“ Die Weltpresse stand Schlange im Schlafzimmer, handgeschriebene Plakate zierten die Wände: „Bed Peace“ und „Hair Peace“, das waren die Parolen.

Auch das Motto: „Make Love, Not War!“ findet sich heute auf Merchandise-Objekten wie Buttons und T-Shirts wieder. Aber auch Kunst, Malerei und Fotografie, Interior Design, Poesie und Körperkunst haben sich seiner bemächtigt. Das Bikini Island Hotel verwendet das Motto: „Make Love, Not War!“ selbstbewusst auf Kopfkissen und Wäschestücken als Interior-Design-Element und stellt damit eine politisch selbstbewusste Verbindung zu der historischen Genese dieses Leitsatzes der Friedensbewegung her.

John Lennon und Yoko Ono am 20. März 1969 im Hilton Hotel Amsterdam, Photo: listelist.com

Life is better with Music

Das Bikini Island Hotel setzt in den verschiedenen Zonen des Hauses eine konsequente und technisch perfekte Beschallung durch Pop-Musik ein. Wer differenziertere Musikwünsche hat, für den gibt es eine herausragende Ausnahme: Den „Vinyl-Forever-Raum“.

Vinyl -Scheiben sind heute mehr als das Echo der Vergangenheit. Viele neue, junge Künstler haben dies bereits begriffen und veröffentlichen ihre Musik auch im Vinyl-Format. Darüber hinaus haben Trendmarken wie etwa „Urban Outfitters“ erkannt, dass Vinyl cool ist und einen enormen optischen und haptischen Mehrwert transportiert. Im „Vinyl-Forever-Raum“ des Bikini Island Hotel wurde eine angenehm gekühlte Relax-Zone mit konsequent gesammelten LP’s der 60er und 70er Jahre geschaffen und damit auf die glanzvolle Geschichte der Pop- und Rockmusik auf Vinyl verwiesen. Hier werden vielleicht künftig Musiker, Szenepersönlichkeiten und Labelmacher die Schwerpunkte ihrer ganz persönlichen Schallplattensammlung erklären und spannende Themenabende veranstalten.

Vinyl-Forever-Raum. Bikini Island Hotel , Foto: Jürgen Doppelstein

Life ist better in (a) Bikini

Mit dem Begriff „Bikini“ (Land der Kokosnüsse) hat das Hotel einen Namen gewählt, der 50 Jahre nach dem „Summer of Love“ die Hoffnungen und Visionen einer ganzen Epoche aufgreift und der auf faszinierende Weise die Themen der Gypsetter mit denen der Hippies und Friedensaktivisten verbindet. Zugleich ist der Bikini das Signet einer Epoche der weiblichen Emanzipation. Bis in die Gegenwart hinein weckt der Begriff nicht nur vitalistische und erotische Phantasien, sondern zielt zugleich mitten in die Kulturgeschichte der Mode des 20. Jahrhunderts.

Mit dem Abwurf einer Atombombe über dem Bikini-Atoll am 1. Juli 1946 wurden damals vielfach noch Begriffe wie „fortschrittlich“, „sensationell“ und „aufregend“ assoziiert. In der Atomeuphorie der 1950er Jahre galt die Atombombe noch als Allheilmittel für die verschiedensten zivilisatorischen und militärischen Probleme und war nicht mit „moralischer Entrüstung“ in Verbindung zu bringen.

Das nutzte der Designer Louis Réard, um seine revolutionäre zweiteilige Bademode mit dem Produktnamen „Bikini“ einzuführen. Der Bikini war exotisch, eine revolutionäre Veränderung der Kleiderordnung und sollte der zeitgenössischen weiblichen Käuferschicht zur positiven Identifizierung dienen.

Micheline Bernardini, Paris 1946, Foto: craighill.net

Am 5. Juli 1946 wurde der erste Bikini im Pariser Bad Piscine Molitor von Micheline Bernardini der Öffentlichkeit präsentiert. In den ersten Jahren konnte sich das Kleidungsstück jedoch noch nicht durchsetzen.

Es gehörte zu Réards Glück der Stunde, im Namen „Bikini“ zugleich die Aktualität einer Epoche mit dem Inbegriff eines Badeparadieses und der Idee einer verführerischen Frau, die in südseehafter Unschuld ihre gebräunte Haut zeigt, verbunden zu haben. Damit erhielt der Begriff „Bikini“ eine unverhüllt sexuelle Konnotation, die bewusst in der Werbekommunikation eingesetzt zu einem der Schlagwörter der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts werden konnte. Der Name „Bikini“ meint auch heute noch eine ganz bestimmte Haltung der Selbstprojektion, denn er schafft nicht nur Image und Life-Style, sondern vermischt in der Verbindung zwischen einer mörderischen Waffe und einer attraktiven Frau in knapper Badebekleidung zugleich die Todes mit der Liebessymbolik.

Réards aus der Aktualität der Atomtests gegriffene Namensgebung zeugt für jene Glücksfälle in der Literatur, in denen es einem Pseudonym oder einem Titel gelingt, Geschichte zu machen. Modisch aktuell und zugleich skandalös, eröffnete der Bikini schon mit der ersten Fotosession ein Kommunikationsfeld, das ihn weit über seine eigentliche Bedeutung hinaushob.

Rita Hayworth, 1946, Foto: Vogue It

Der Bikini erfüllt jenen beständigen Traum der Mode, mehr zu sein als nur Bekleidung, nämlich eine Geschichte zu erzählen, einen imaginären Raum um den von ihr geschaffenen Gegenstand und seine Trägerin zu erschaffen, der wie eine Welt in der Welt Kleidungsstück und Trägerin verbindet und zugleich verändert.

Es gehört zu den Besonderheiten des Kleides, dass es ohne den Körper, der es ausfüllt, nichts ist. Aber ohne das Kleid ist auch der Körper in seinem Ausdruck reduziert. Das Kleid ohne Körper ist wie eine leere Bedeutungshülle ohne Kern und Inhalt und der Körper ohne das ihn umschmeichelnde und umspielende Kleid ist nicht mehr als die nackte, oftmals erschreckende Wahrheit.

Wenn das Bikini Island Hotel heute mit dem Slogan wirbt: „Life is better in Bikini“, dann ist genau jenes Verhältnis von Kleid, Körper und Haut gemeint, das nicht nur für (Bade-) Mode, sondern auch für Architektur und Design gilt.

Brigitte Bardot, Cannes 1952, Foto: SIPA Press; Marilyn Monroe am Strand von Malibu 1962. Photo: George Barris; Ursula Andress, 1962, Foto: newlyswissed.com

Schon ein paar Wochen nach seiner Eröffnung gelingt es dem Hotel durch seinen konsequenten Stil und seinen charmanten, multikulturell orientierten Mitarbeitern, eine Einheit herzustellen zwischen der Individualität seiner Gäste und ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten kulturellen Lebensmustern. Es dient damit nicht nur dem Anspruch des Gastes, der es nutzt und bewohnt, sondern auch der Orientierung anderer, die von außen auf das Haus schauen.

Die Fähigkeit, das Gewöhnliche eines Hotels mit den feinen Zeichen der Unterscheidung zu versehen, ist im Bikini Island Hotel überzeugend gelungen. Denn die große Schwierigkeit besteht darin, in der mobilen, multikulturellen Gesellschaft der Gypsetter überhaupt eine eigene Sprache, eine eigene Form, eine eigene Symbolik zu entwickeln, die lesbar ist und damit auch ein Identifikationsangebot an seine Nutzer macht. Das kann man annehmen oder ablehnen oder man kann dem eigene Identifikationsmodelle entgegensetzen. Ich habe letzteres gemacht und mich trotzdem ausgesprochen wohl gefühlt.

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Über Dr. Jürgen Doppelstein

Jürgen Doppelstein, Museumsleiter und Ausstellungsmacher, studierte Literatur- und Kulturwissenschaft in Siegen und Berlin, zahlreiche interdisziplinäre Museumsprojekte, Ausstellungen und Publikationen zu Literatur, Kunst und Kultur. Promovierte zum Begriff der Fremdheit an der FU-Berlin. JD folgt in seiner Arbeit gerne einem Gleichnis des Philosophen Bernhard von Chartres, der schon 1120 sagte: "Wir sind gleichsam Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen, um mehr und Entfernteres als diese sehen zu können."

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